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UMTS bereits vor dem Start vor dem Aus?

Quelle: Manager-Magazin, dpa, Reuters, 03.04.2002

U M T S - W A H N

Wen es als nächsten erwischt

Von Anne Preissner

Gründer Gerhard Schmid macht Kasse und verkauft seine Mobilcom-Anteile. Damit könnte der Selfmademan zum einzigen Gewinner des UMTS-Wahns werden. Die ganze Branche hängt dagegen durch. mm sagt, wer die Wackelkandidaten sind.

Hamburg - Mobilcom-Chef Gerhard Schmid (49) war schon immer ein Freund klarer Verhältnisse: Er hat das Sagen, die anderen dürfen zahlen.
 
Die Rechnung des cleveren Franken, Großaktionär des holsteinischen Mobilfunkanbieters, ist bislang auf wundersame Weise aufgegangen. Einen Betrag von 4,2 Milliarden Euro entlockte er Michel Bon (58), dem Lenker von France Télécom, für eine 28,5-Prozent-Beteiligung an Mobilcom und für künftige Breitband-Investitionen; 2,1 Milliarden Euro strecken die Telekom-Ausrüster Nokia und Ericsson vor, damit sie den Büdelsdorfern ihre Infrastruktur liefern dürfen; 4,7 Milliarden Euro gewährten diverse Geldinstitute der Schmid-Firma als Kredit für den Erwerb einer Lizenz für den künftigen Mobilfunkstandard UMTS und für den Aufbau des UMTS-Netzes.

Elf Milliarden Euro - das ist viel Geld für ein Unternehmen, das im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro erzielte. Und das tiefrote Zahlen schreibt.

In den vergangenen Wochen drohte die Schmid-Show "Wer wird Milliardär" zu platzen. Großgeldgeber France Télécom machte Ärger. Vianney Hennes (42), einziger Repräsentant der Franzosen im Mobilcom-Vorstand, schied Mitte Februar aus dem Gremium aus.

Seither war Schluss mit lustig. Zwischen Büdelsdorf und Paris wurde um jeden Cent gestritten (siehe "Der Streit spitzt sich zu"). Michel Bon und Gerhard Schmid verfolgten einander in aller Öffentlichkeit mit Verdächtigungen, Unterstellungen und Drohungen. Bis zur Einigung am heutigen Dienstag (siehe "Einigung: Schmid macht Kasse").
  
High risk - no fun
Wie die sechs Inhaber der UMTS-Lizenzen dastehen - und welche Chancen sie haben. ...mehr  
 
Eine Provinzposse? Wenn es nur das wäre. Vielmehr ist der Machtkampf der beiden Topmanager symptomatisch für den Zustand der gesamten Branche.

Alle Mobilfunkunternehmen in Deutschland sind katastrophal verschuldet. Selbst die Großen der Branche, T-Mobile, Vodafone und E-Plus, ächzen unter drückenden Zinslasten, schrauben ihre Investitionen zurück.

Für die kleinen Anbieter geht es schon jetzt um alles oder nichts. Neben Mobilcom befinden sich auch Viag Interkom und Marktneuling Quam in bedrohlichen Schieflagen.

Ein Desaster, das absehbar war. Über 50 Milliarden Euro mussten die sechs UMTS-Lizenznehmer im August 2000 an Finanzminister Hans Eichel (60) überweisen. Der schwindelerregende Preis für ein bisschen Luft erweist sich nun als schwerste Belastung für den gesamten Markt der Telekommunikation.

Gewiss, Kassenwart Eichel ist nicht allein Schuld an der Misere. Mit überteuerten Akquisitionen haben sich die Firmenlenker auch selbst tief in Schulden verstrickt (siehe "Gebeutelte Gewinner"). Doch es war vor allem Eichels Griff nach dem Staatsanteil an noch nicht verdientem Geld, der die Branche um ihre Zukunft zu bringen droht.

Die Staatsauktion für die UMTS-Lizenzen kommt den Finanzminister schon jetzt teuer zu stehen. Die Verluste der Mobilfunkfirmen führen zu Steuerausfällen, ziehen den Abbau von Arbeitsplätzen nach sich und vernichten Aktionärsvermögen - auch das des Bundes. Womöglich kostet Eichel die UMTS-Versteigerung mehr, als sie ihm einbringt.

Allein die T-Aktie  (Bundesanteil: 43 Prozent) verlor seit der UMTS-Auktion 64 Prozent an Wert – rund 71 Milliarden Euro. Der Markt zeigt sich so trist, dass Telekom-Chef Ron Sommer (52) den für dieses Jahr geplanten Börsengang der Tochter T-Mobile wohl erneut verschieben muss –und weiter auf seinem Schuldenberg sitzen bleibt.

Die Boombranche droht zur Buh-Branche zu werden. Im letzten Jahr lag der Beschäftigungszuwachs im Sektor Telekommunikation nur noch bei 0,5 Prozent (2000: 8,7 Prozent). Für das laufende Jahr rechnet die Unternehmensberatung Mummert + Partner mit einem Stellenabbau.

Mobilcom-Chef Schmid, France-Télécom-Lenker Bon: Streit um jeden Cent
 
Wird Mobilcom das erste UMTS-Opfer? 8,4 Milliarden Euro hat Gerhard Schmid für die Lizenz bezahlt. Ohne diese Last stünde Mobilcom wesentlich besser da, könnte sorglos investieren. Stattdessen balanciert das Unternehmen am Abgrund. In diesem Sommer muss der Noch-Mobilcom-Chef Schmid kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 4,7 Milliarden Euro umschulden.

Die Anschlussfinanzierung (Hauptgläubiger: Deutsche Bank, Merrill Lynch, Société Générale und ABN Amro) ist aber nur gesichert, wenn Minderheitsaktionär France Télécom fest zu seinem deutschen Engagement steht.

Wenn ja, wenn. Der französische Staatskonzern ist selbst klamm, hat Rekordschulden in Höhe von 65 Milliarden Euro angehäuft. Was Wunder, dass Michel Bon sein UMTS-Investment diesseits des Rheins niedrig halten will. Das gilt auch nach der Einigung mit Selfmademan Schmid, der unterdessen angekündigt hat, nach dem Verkauf seiner Anteile an eine Gruppe von Finanzdienstleistern den Vorstandsvorsitz bei Mobilcom niederzulegen.

Einigen sich die Beteiligten nicht schnell über die Zukunft von Mobilcom, dann gibt es - außer Schmid, der nun Kasse macht - nur Verlierer. "France Télécom hat die Macht, Mobilcom völlig auszubluten", sagt Joachim Koller, Telekom-Experte bei Merck Finck & Co. Aber um welchen Preis: Wenn Mobilcom Pleite ginge, müsste France Télécom bis zu elf Milliarden Euro abschreiben.

Der Jubel über die Lizenzen für den Mobilfunk der Zukunft ist längst verstummt. Es geht es nur noch ums Geld. Milliardensummen hat etwa British Telecommunications (BT) in die deutsche Tochter Viag Interkom gepumpt. Mit sehr mäßigem Erfolg. Die Münchener Firma ist mit nur 3,65 Millionen Kunden der kleinste Netzbetreiber nach T-Mobile, Vodafone und E-Plus. Analysten erwarten für das ablaufende Geschäftsjahr (31. März) einen Verlust von 250 Millionen Euro (Ebitda).

Rudolf Gröger (47), seit Oktober Viag-Interkom-Chef, muss Personal abbauen und drastisch die Kosten senken. Das geht an die Substanz. Dabei hat Viag Interkom noch nicht einmal mit dem UMTS-Netzausbau begonnen. Hartnäckig hält sich in der Londoner City das Gerücht, dass die Briten ihren deutschen Verlustbringer schnell loswerden wollen.

Nichts schwieriger als das. In Deutschland besteht seit der UMTS-Auktion kein Interesse mehr an Mobilfunkfirmen. Mit sechs Lizenznehmern ist der Markt ohnehin überbesetzt. T-Mobile-Chef Kai-Uwe Ricke (40) schätzt, dass höchstens vier Spieler übrig bleiben.

Wenn überhaupt. Neben Mobilcom und Viag Interkom gehört auch Newcomer Quam zu den akut gefährdeten Marktteilnehmern. Der Ableger von Telefónica Móviles (Spanien) und Sonera (Finnland) besitzt in Deutschland weder einen Kundenstamm noch ein eigenes Netz.

Sven Hannawald, Skispringer und Quam-Werbeträger, wird vermutlich der einzige Überflieger im Quam-Team bleiben. Deutschland-Chef Ernst Folgmann (54) zählte Mitte März gerade mal 75.000 Nutzer und hat damit seine ursprünglichen Planzahlen weit verfehlt.

Die schlimmsten Folgen des UMTS-Wahns stehen noch aus. Branchenkenner malen schon die Szenarien. Wird Mobilcom im Gesellschafterstreit zerrieben? Wird Viag Interkom verkauft? Verschwindet Quam vom Markt?

Gibt einer der UMTS-Rechteinhaber auf, bekommt Hans Eichel die jeweilige Lizenz zurück, und zwar gratis. Er kann sie dann erneut unter den verbliebenen UMTS-Betreibern versteigern. Die Nachfrage dürfte sich in Grenzen halten. "Den Wahnsinnigen möchte ich sehen, der dafür noch einmal Geld hinlegt", resümiert Jürgen von Kuczkowski (61), Deutschland-Chef von Vodafone.

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