Mehr zum Thema Mobilfunk und Gesundheit

Grenzwerte und Sicherheitsfaktoren

Quellen: u.a. Zeitschrift Medizin + Umwelt 1/99 (früher Arzt und Umwelt), Schwerpunktthema Grenzwerte, in Arzt und Umwelt, 4/98, S. 283 ff. sowie EMF-Monitor 02/03 von April 2003, Ecolog-Institut

Von entscheidender Bedeutung bei der Suche nach sicheren Grenzwerten beim Mobilfunk ist die Rolle und Größe von Sicherheitsfaktoren und deren Bezug zu Studien, entweder im Verhältnis zu Werten, bei denen in Zell- oder Tierversuchen gerade noch keine Effekte auftraten oder im Verhältnis zu Werten, bei denen gerade noch keine schädlichen Effekte auftraten.

In der Chemie- und Lebensmittelindustrie werden dabei in der Regel Sicherheitsfaktoren zwischen 100 und 1000 verwendet.

Unter Berücksichtigung der schon in vielfältiger Form vorhandenen weiteren schädlichen Umweltfaktoren (Luft, Wasser, Lebensmittel usw.), Vorschädigungen, individuellen Voraussetzungen usw. scheint ein zusätzlicher Kombinationsfaktor angeraten, der mindestens bei weiteren 10 liegen sollte, so dass mindestens Sicherheitsfaktoren zwischen 1000 und 10.000 zu empfehlen sind.

Auch dann können schädliche Wirkungen nicht in allen Fällen definitiv ausgeschlossen werden, es wird jedoch eine relative Sicherheit gegeben.

Der folgende Artikel der Zeitschrift Medizin + Umwelt ist deshalb für die Grenzwertdiskussion sehr wichtig, auch wenn hauptsächlich auf chemische Stoffe Bezug genommen wird. Interessant ist auch das Reinheitsgebot, wie es bei Trinkwasser und Pestiziden angewandt wird.

1. Der Toxikologische Ansatz

Für einen Stoff wird im Tierversuch die höchste Konzentration ermittelt, die gerade noch keinen beobachtbaren Effekt hat. (NOEL- no observed effect level). Neuerdings bestimmt man statt dessen gerne den NOAEL (no observed adverse effect level) als die Konzentration, die gerade noch keinen beobachtbaren schädlichen Effekt zeigt. "Schädlichkeit" ist aber dadurch keineswegs klar definiert, doch dürfte der NOAEL höher sein als der NOEL. Der NOAEL geht direkt in die Festlegung von Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK) ein oder er wird wie im Lebensmittelbereich mit einem willkürlich festgelegten Sicherheitsfaktor (i.d.R. 1/100 oder 1/1000) multipliziert.

Es ergibt sich der ADI-Wert (Acceptable Daily Intake), also die Menge eines Stoffes, die bezogen auf ein Kilogramm Körpergewicht bei einem gesunden Menschen bei täglicher lebenslanger Aufnahme keinerlei Gesundheitsschäden hevorrufen soll. Multipliziert mit dem Gewicht eines Durchschnittsmannes (70 kg) und geteilt durch den durchschnittlichen Tagesverzehr ergibt sich die toxikologisch duldbare Stoffmenge im Lebensmittel, mithin genannt der Grenzwert.

Doch das Konzept hat Schwächen:

1. ADI-Werte für einzelne Lebensmittel beruhen auf der Annahme durchschnittlicher Verzehrgewohnheiten. Doch einseitige Ernährungsgewohnheiten sind alles andere als selten.
2. Individuelle Empfindlichkeiten nicht nur bei Säuglingen, älteren Menschen oder gar Kranken, sondern auch unter erwachsenen Gesunden, bleiben hingegen vollständig unberücksichtigt.
3. Anreicherungen von Schadstoffen im menschlichen Organismus, z.B. von Dioxin und PCB.
4. Kombinationseffekte von Fremd-, Schad,- und Zusatzstoffen.
5. Erkenntnislücken bei einer Vielzahl von Stoffen und Wirkungen
6. Unterschiedliche Empfindlichkeiten zwischen Versuchstierart und Mensch gegenüber einer Substanz können durch den Sicherheitsfaktor nicht in jedem Fall ausgeglichen werden. Darüber hinaus kann eine Übertragbarkeit von Tierversuchsergebnissen auf den Menschen grundsätzlich angezweifelt werden.

2. Der Minimierungsansatz

Für Stoffe, die als krebserregend gelten, kann keine Wirkschwelle ermittelt werden, da im Prinzip ein einzelnes Molekül eine Tumorbildung auslösen kann. Es ist nur eine Risikoabschätzung im Bereich geringer Schadstoffkonzentrationen möglich. Die Grenzwertsetzung orientiert sich leider immer noch am technisch Machbaren, d.h. die höchstzulässige Schadstoffkonzentration soll so gering wie technisch-ökonomisch vertretbar gehalten werden, ohne die Produktion bzw. Verwendung des Schadstoffes zu beeinträchtigen. Allerdings kann technischer Fortschritt zu einer Herabsenkung der Grenzwerte führen. Der Minimierungsansatz gilt z.B. für Dioxine, Furane und PCP, aber auch für hierzulande verbotene Schadstoffe wie DDT und PCB.

3. Das Reinheitsgebot (prinzipieller Ansatz)

Dieser Ansatz geht davon aus, daß Schadstoffe in bestimmten Umweltbereichen oder Lebensmitteln nichts zu suchen haben. Es werden daher Grenzwerte definiert, die an der Grenze der Nachweisbarkeit liegen. Dieses Prinzip ist beispielsweise für Trinkwasser (Pestizide) verwirklicht worden.

Alle gängigen Grenzwertkonzepte stoßen an ihre Grenzen, wenn die Beurteilung von Schadstoffen ansteht. "Allein für die Prüfung von 10 Stoffen in einer Kombination mit jeweils 3 Stoffen wären nach Angaben des Industrieverbandes Agar e.V. ca. 120 Untersuchungen erforderlich, die Kosten in Höhe von 600 Millionen DM verursachen und ca 120.000 Tiere erfordern würden" (Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1990). Jedes Jahr werden jedoch über 1.000 neue Stoffe in den Verkehr gebracht.

Reduzierung der Stoffgemische gefordert

Nicht eingerechnet werden alle jene Stoffe, die beim Abbau und bei Verbrennungsprozessen neu entstehen. Ein vollständiger Schutz von Mensch und Umwelt erscheint unmöglich. Es existieren aber verschiedene Ansätze, den Schutz zu verbessern, um mit den vorhandenen Stoffgemischen fertig zu werden: um rein mathematisch die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten zu verringern, könnten für den produzierenden Bereich Positiv-Listen derjenigen Stoffe erstellt werden, für die eine positive Bewertung bereits vorhanden ist. Die Summe der im Produkt enthaltenen Stoffe muß einen sehr niedrigen Schwellwert einhalten.

Ein anderer Ansatz ist schlicht die Reduzierung der Zahl der Inhaltsstoffe, z.B. in kosmetischen Produkten. Insgesamt erscheint die Entwicklung eines neuen Konzeptes erforderlich, das die Gesamtbelastung berücksichtigt und sich nicht allein mit der Bewertung von Einzelstoffen zufrieden gibt.

Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Überlegungen des ARGUK-Umweltlabors Oberursel:

http://www.arguk.de/infos/pest_in_hs.htm

Wenn man für zukünftige Mobilfunk-Grenzwerte jene Studien zugrunde legt, die bei niedrigen Levels schädliche Effekte gefunden haben und dann einen Sicherheitsfaktor von 10.000 einsetzt (bezogen auf die Leistungsflußdichte), erhält man ein (vorläufig) sicheres Level von ca. 0,1 - 0,2 Mikrowatt pro Quadratmeter, dies liegt um Welten unter den ICNIRP-Werten.

Mögliche Basis-Studien wären z.B.:

- Magras und Xenos (1997, Abnahme der Fortpflanzungsfähigkeit bei Mäusen bis hin zur Unfruchtbarkeit in der 5. Generation bei 1.680-10.530 Mikrowatt pro Quadratmeter).
- Kundi (2001, Gesundheits- und Befindlichkeitsstörungen bei Anwohnern von Mobilfunk-Basisstationen, ca. 2.000 Mikrowatt/Quadratmeter).

Das Ecolog-Institut hat diese beiden Studien im EMF-Monitor 2/2003 (Aprilausgabe) ebenfalls erwähnt, bleibt aber vorläufig bei seiner Grenzwertempfehlung von 10.000 Mikrowatt pro Quadratmeter und empfehlt aber zusätzlich, Immissionen durch einzelne Technologien wie Mobilfunk, Radio oder Fernsehen, in der Summe der jeweiligen Anlagen auf maximal 30 Prozent des Vorsorgewertes zu begrenzen. Befinden sich also auf einem Mast z.B. TV- und Mobilfunksender, beträgt der neue maximale Empfehlungswert des Ecolog-Institutes 3.000 Mikrowatt pro Quadratmeter für den Mobilfunk, ebenso, wenn sich Handys, DECT-Telefone, Bluetooth- oder W-Lan-Anwendungen in der Nähe befinden.

Das Ecolog-Institut empfiehlt jedoch die Überprüfung der Studien von Magras und Xenos sowie von Kundi und allen fortlaufend eingehenden neuen Forschungsdaten, um seine Grenzwertempfehlungen jederzeit überprüfen zu können. Das Ecolog-Institut hat Erfahrungsberichte von Umweltmedizinern und Baubiologen bei der Formulierung des Vorsorgewertes bisher nicht berücksichtigt, da es bisher keine hinreichend dokumentierten Untersuchungen hierfür gäbe, die als Grundlage für eine wissenschaftlich fundierte Risikobewertung herangezogen werden könnten.

Das Ecolog-Institut fordert jedoch dringend eine wissenschaftliche Überprüfung dieser Hinweise.

In Bezug auf die Sicherheitsfaktoren ist der vom Ecolog-Institut herangezogene Faktor von 10 unserer Meinung nach jedoch recht willkürlich und nicht sicher ausreichend, insbesondere im Hinblick auf Langzeitfolgen, für die das vorliegende wissenschaftliche Material bisher völlig unzureichend ist, wie das Ecolog-Institut selbst in EMF-Monitor 2/03 schreibt. Auch die bereits vorliegenden epidemiologischen Studien bei Anwohnern von Rundfunk- und TV-Sendern, die überwiegend verdoppelte Leukämieraten bei Kindern gefunden haben, sind unserer Ansicht nach nicht ausreichend berücksichtigt, zumal hier viel zu wenig Meßwerte vorliegen.

Wir schließen uns deshalb im Hinblick auf größtmögliche Sicherheit den neuen Forderungen der Bürgerwelle und des Verbandes der Baubiologen an und fordern einen Maximalwert von 0,1 Mikrowatt pro Quadratmeter.

Der aktuelle Grenzwert beträgt: 4,5 Millionen Mikrowatt pro Quadratmeter (D-Netz), 9 Millionen Mikrowatt pro Quadratmeter (E-Netz), 10 Millionen Mikrowatt pro Quadratmeter (UMTS).

Mehr zum Thema Mobilfunk und Gesundheit