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Bundesregierung: Keine Standorte bei Schulen und Kindergärten mehr

Offizielle Mitteilung der Bundesregierung, Umweltministerium, vom 07.12.2001, kommentiert

Gestern, am 07.12.2001, äußerte sich Kanzleramts-Staatsminister Hans Martin Bury im Auftrag des Bundesumweltministeriums öffentlich zum brisanten Thema Mobilfunk (Handys und Sendemasten), das in der Bevölkerung immer größeren Widerstand hervorruft. Mittlerweile gibt es mehr als 10000 Bürgerinitiativen in Deutschland gegen Mobilfunksendeanlagen. Industriefreundlich wurde dabei verkündet, daß man die Grenzwerte nicht senken werde (trotz tausender aktueller Studien, die massenhaft Belege für schwere Gesundheitsschäden weit unterhalb der thermischen Grenzwerte enthalten).

Neubauten nahe Kindergärten und Schulen sollen möglichst ganz vermieden werden. Aha, und was ist mit den vielen schon bestehenden Anlagen bei und auf Kindergärten und Schulen? Haben diese Kinder keinen Schutz verdient? Was heißt überhaupt "möglichst"? Wenn der Betreiber keinen finanziellen Schaden erleidet? Eine andere Deutung dieser Terminologie ist kaum möglich! Ach ja, und wie lange halten sich z.B. Kinder in Kindergärten und Schulen auf? 8 Stunden? Und wie lange zu Hause? 16 Stunden... Und was ist mit kleinen Kindern von Babys bis zu Dreijährigen? Diese halten sich bis zu 24 Stunden in Wohngebieten auf!!! Dürfen diese verstrahlt werden? Und was ist mit Alten, Kranken, empfindlichen Personen? Haben diese keinen Schutz verdient? Welche Berechtigung hat eine Unterscheidung zwischen bestehenden Anlagen und Neubauten? Keine! Derartige Halbherzigkeiten sind unhaltbar!

Die Strahlungsgrenzwerte für Mobilfunkantennen in Deutschland werden nach Angaben aus dem Ministerium von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nicht gesenkt. Eine unglaubliche Inkonsequenz zum Wohle der Mobilfunkindustrie, zum gesundheitlichen Nachteil der Bevölkerung, deren Schädigung bewußt in Kauf genommen wird, um finanzielle Interessen von Großkonzernen zu schützen.

Gleichzeitig haben sich die hiesigen Mobilfunkanbieter zur freiwilligen Begrenzung von Elektrosmog verpflichtet, teilten die Bundesregierung und die Mobilfunkbetreiber am Freitag mit. Na das ist aber wirklich lustig, wenn es nicht so traurig wäre. Sicherlich werden die Mobilfunkbetreiber freiwillig etwas tun, an dem sie wirtschaftlich nicht interessiert sind. Die Freiwilligkeit ist ein Freibrief zum Weitermachen. De facto ändert sich durch eine "freiwillige Selbstverpflichtung", wie das Machwerk genannt wurde, überhaupt nichts.

Demnach sagten die sechs deutschen UMTS-Lizenznehmer unter anderem die Einführung eines Öko-Siegels für strahlungsarme Handys und Forschungsmittel von insgesamt zehn Millionen Euro (19,5 Milliarden Mark) zu. Ein Öko-Siegel, das ist ja prima! Wie Elektrosmognews.de aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, soll dieses "Öko-Siegel" für Handys vergeben werden, deren SAR-Wert unter 0,5 liegt. Da ein Handy Strahlenbelastungen hervorruft, die meist um ein Mehrtausendfaches höher liegen als bei Anwohnern in der Nähe einer Basisstation (diese strahlen aber rund um die Uhr und schädigen die Gesundheit im Laufe der Zeit genauso, wenige Monate können hierfür genügen), nützt eine Reduzierung des SAR-Wertes von dem zur Zeit erlaubten Höchstwert von 2,0 auf 0,5 so gut wie überhaupt nichts. Aber doch, sie nützt etwas. Und zwar den Taschen der Mobilfunkbetreiber, die dem gesättigten Markt neue Handys verkaufen können. Der Handynutzer wird quasi genötigt, sich ein neues Handy zu kaufen, damit er seine Gesundheit ein bißchen besser schützen kann. Natürlich wird er das Geld für das alte Handy nicht zurückbekommen und der SAR-Wert 0,5 (oder auch 0,25, spielt überhaupt keine Rolle) wird ihn genauso schädigen. Die Industrie wird dann scheibchenweise immer neue Handys verkaufen (dazwischen noch Misch-UMTS-Varianten), um den eingebrochenen Umsatz wieder anzukurbeln.

Den Netzbetreibern bleiben durch die unveränderten Grenzwerte Zusatzkosten in Milliardenhöhe bei der Einführung des neuen Mobilfunkstandards UMTS erspart.

Endlich mal ein Satz, der keines Kommentars bedarf!

Allerdings würden in den nächsten Jahren die Finanzmittel für die Erforschung möglicher Gesundheitsrisiken durch elektromagnetische Felder aufgestockt. Kanzleramts-Staatsminister Hans Martin Bury teilte mit, dass in den Jahren 2002 bis 2005 mehr als 20 Millionen Euro an zusätzlichen Haushaltsmitteln für Mobilfunk-Forschung zur Verfügung stünden.

Prima! Geld für Forschung! In der Zwischenzeit verstrahlen wir die Bevölkerung ruhig weiter. Schließlich muß man doch mal ausprobieren, was sich da so alles tut, was für Krankheiten auftreten usw. Das kann man durch jahrelange Verzögerung hervorragend austesten. Bei Medikamenten sind jahrelange klinische Studien erforderlich, bis diese eine Marktzulassung erhalten - für den Mobilfunk braucht man so etwas natürlich nicht. Großfeldversuche scheinen da geeigneter zu sein, bis sich die Investitionen der milliardenschweren Mobilfunkbranche gewinnbringend amortisiert haben. Dann kann man ja immer noch eine gesündere Technologie verwenden.

Fazit: Die Bundesregierung bewegt sich auf sehr dünnem Eis und bewertet die finanziellen Interessen der Mobilfunkbetreiber höher als den Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Unglaublich und mit Sicherheit nicht mehr lange haltbar. Was von oben nicht getan wird, wird durch Druck von unten zu Fall kommen - und zwar bald.

Passend zum Thema eine Meinung der Berliner Zeitung vom 8.12.2001:

MEINUNG

Fauler Vertrag über Handy-Smog

Thomas H. Wendel

Nun ist es also amtlich: Eine Verschärfung der Grenzwerte für Mobilfunksender ist auf Geheiß des Bundeskanzleramtes vom Tisch. Im Gegenzug üben sich die Handynetzbetreiber künftig in freiwilliger Selbstkontrolle. Die "ruhige Hand" von SPD-Regierungschef Gerhard Schröder, das zeigt das nun bekannt gewordene Kompromisspapier, hat wieder zugeschlagen. Sie erspart den Konzernen milliardenteure Nachrüstungen ihrer Handynetze. Und sie hat dabei gleichzeitig den grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin abgewatscht.
Seit Monaten bemühen sich Trittins Beamte im Dienste der 60 Millionen deutschen Handykunden, die Industrie auf niedrigere Strahlendosen zu verpflichten. Das war richtig so. Auch wenn keine wissenschaftlichen Beweise vorliegen, dass der bisher zulässige Mobilfunk-Elektrosmog gesundheitsschädlich wirkt. Aber Anzeichen dafür gibt es eben doch.

Anstatt die Verbraucher vorbeugend zu schützen, wollte Schröder kurz vor der Wahl lieber Standortpolitik betreiben. Wirtschaftsfeindliches Verhalten in der Konjunkturkrise - das ist das Letzte, was sich der Kanzler nachsagen lassen will.

Ob sich das langfristig auszahlt, ist fraglich. Vom Staat abgesegnete Selbstverpflichtungen der Industrie, das zeigt der "Grüne Punkt" in der Abfallwirtschaft, halten sich meist zäh, ohne das vereinbarte Ziel zu erreichen. Schröder wird also viel Kraft aufwenden müssen, damit die Elektrosmog-Einigung nichts als ein fauler Kompromiss ist. Seite 34

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