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München plant Mikrozellen zur Minderung der Strahlenbelastung

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 19.06.2002

Mobilfunk: Ein städtisches Pilotprojekt soll den Wildwuchs bei den Antennen bremsen

Die Handy-Masten werden gekappt

Das Umweltreferat stattet die Fußgängerzone mit Mikrozellen aus, die deutlich weniger strahlen

Von Dominik Hutter

Ampel statt Dach, 30 statt 800Zentimeter: Mit einer neuen Antennen-Technik will Umweltschutzreferent Joachim Lorenz den Wildwuchs in Sachen Handy-Masten bremsen. Im Juli soll der Stadtrat über ein Pilotprojekt abstimmen, die Fußgängerzone mit so genannten Mikrozellen auszustatten. Die Mini-Antennen können auf Ampeln und Lichtmasten montiert werden.

Bestückt werden soll der gesamte Bereich zwischen Hauptbahnhof und Marienplatz – ein Gebiet, in dem wegen der vielen Fußgänger auch besonders viel telefoniert wird. Zehn Handy-Telefonate führt der Münchner statistisch am Tag – deutscher Rekord. Und die Mobilfunk-Betreiber rüsten weiter auf: Der UMTS-Standard macht weitere Antennen erforderlich – Antennen, die Lorenz zumindest im Pilot-Gebiet unauffällig an Ampeln und Lichtmasten anbringen will. Das schont Stadtbild und Gesundheit. Die Mini-Antennen strahlen deutlich weniger als herkömmliche Acht-Meter-Masten.

Das ist wichtig im Handy-sensiblen München, das vor einem Jahr auf eigene Faust die bundeseinheitlichen Grenzwerte durch die niedrigeren Schweizer Limits ersetzt hat – wenn auch nur auf städtischen Grundstücken. Mikrozellen unterschreiten diese Werte noch deutlich – so sehr sogar, dass wegen Geringfügigkeit die Genehmigungspflicht entfällt. Im Pilotprojekt soll daher zumindest eine Informationspflicht der Handy-Anbieter festgeschrieben werden. „Es geht um Transparenz“, meint Lorenz, der die Standorte auch weiterhin an die Bürger weitergeben will. Keinesfalls wolle man die Antennen „verstecken“. Möglich wäre das durchaus: Sie sind im Idealfall nur noch 30 Zentimeter lang und eineinhalb Zentimeter breit. Basisstationen werden gar nicht zu sehen sein: Die befinden sich mehrere Kilometer entfernt, angebunden über die vorhandenen Kabel der Strom- oder Telefonversorgung.

Die Stadt will bei dem Pilotprojekt allerdings nur als Ideen-Geber und als Vermieter eigener Lichtmasten auftreten. Eingerichtet werden müsse das neue System von Privaten. Die Mobilfunk-Anbieter jedenfalls sind gesprächsbereit, versichert Lorenz. Denn einfacher ist die Antennen- Standortsuche nicht geworden. Immer mehr Hausbesitzer winken ab, wenn der Mobilfunk-Vertreter kommt – mit Rücksicht auf ihre Nerven: Der monatelange Mieter-Protest ist offenbar schwerer zu ertragen als die Miet-Ausfälle auf dem Dach. 600 neue Standorte werden derzeit untersucht, 750Masten „zieren“ die Hausdächer bereits.

Das Verhältnis zwischen Stadt und Mobilfunk-Anbietern ist derzeit nicht ganz spannungsfrei. Seit Einführung der Schweizer Grenzwerte hat keine Firma mehr einen Miet-Vertrag mit der Stadt abgeschlossen. „Wir wollen keine Lex München“, sagt dazu Frank Wienstroth von Viag Interkom – die bundesweiten Grenzwerte, die auf allen nicht-städtischen Dächern gelten, seien ausreichend. Probleme gibt es nur mit der Wiesn: Noch im vergangenen Jahr, vor dem Stadtratsbeschluss, wurden für die bierseligen Massen-Telefonate Zusatz- Antennen aufgestellt. Dieses Jahr gelten auf der Theresienwiese Schweizer Grenzwerte – sehr zum Missfallen der Mobilfunkanbieter, die überwiegend auf stur schalten und dann eben keine Masten aufstellen wollen. An Wiesn-Samstagen kann das bedeuten: kein Durchkommen mehr. Wie auf der Wiesn üblich.

Mast-Kur

München will mit Mini-Handyantennen Wildwuchs auf Dächern beenden

Deutschland forstet auf. Seit das Telefon zum Dauer-Begleiter geworden ist, überzieht ein sich stetig verdichtender Antennen-Wald die Dächer der Städte. Allein München, das mit Frankfurt um den Titel Handy-Hauptstadt konkurriert, verfügt über etwa 750 Masten auf Schornstein-Niveau. Weitere 600Standorte werden untersucht, die Einführung der UMTS-Technik fordert ihren Tribut. Als Verbesserung des Stadtbilds gelten die rund acht Meter hohen Rohre nicht gerade – von den immer wütenderen Bürger-Protesten einmal ganz zu schweigen. Das Münchner Umweltschutzreferat will nun mit einem Pilotprojekt gegen die scheinbar unvermeidliche Aufrüstung vorgehen: An Ampeln und Lichtmasten montierte Mini- Antennen sollen den Wildwuchs auf den Dächern bremsen – und langfristig sogar ganz stoppen.

Die so genannte Mikrozelle hat zwei große Vorteile: ihre Unauffälligkeit und ihre niedrige Strahlung. Der Münchner Umweltschutzreferent Joachim Lorenz schwärmt bereits von einer Strahlenbelastung unterhalb jeder Genehmigungspflicht – so niedrig, dass selbst die als besonders streng geltenden Schweizer Grenzwerte weit unterschritten würden. Erkauft werden muss der strahlungsarme Telefon-Schirm mit einer höheren Antennen-Dichte: Was nicht so stark strahlt, strahlt eben auch nicht so weit. Damit Ampeln und Lichtmasten später nicht wie Nadelkissen aussehen, plädiert Lorenz für mehr Zusammenarbeit unter den Mobilfunk-Betreibern. Prinzip: eine Antenne, sechs Netze. Derzeit ist es üblich, dass jeder Anbieter sein eigenes Süppchen kocht.

Die Mini-Antennen sind im günstigsten Fall nur noch etwa 30 Zentimeter hoch und haben einen Durchmesser von eineinhalb Zentimetern. Die Daten sollen über das in Verkehrsanlagen vorhandene Kabelnetz an eine Basis- Station weitergeleitet werden. Bisher verwenden Mobilfunk-Betreiber diese Technik vor allem als Ergänzung zu den herkömmlichen Dachgiganten – um die Versorgung an stark frequentierten Orten wie Bahnhöfen sicherzustellen. Viag Interkom etwa verwendet Mikrozellen, um den Empfang im Innern von Gebäuden zu sichern.

Lorenz will die gesamte Münchner Fußgängerzone mit Mini-Antennen ausstatten. Vorausgesetzt, der Stadtrat und die Mobilfunk-Betreiber machen mit – aufzwingen oder gar betreiben will die Stadt das neue System nicht. Die Begeisterung der Handy-Anbieter hält sich noch in Grenzen, die Technik gilt wegen ihrer hohen Zahl an Antennen als aufwändig. E-Plus weist darauf hin, ohnehin über ein sehr kleinteiliges Netz zu verfügen. Lorenz ist dennoch optimistisch. Denn München verfügt nicht nur über eine hohe Handy-Dichte, sondern auch über eine höchst aktive Protestbewegung. Das Thema Mobilfunk fehlt auf keiner Bürgerversammlung, Unterschriftensammlungen und Minidemos sind an der Tagesordnung. Es gilt als offenes Geheimnis, dass die Mobilfunk- Betreiber immer größere Probleme haben, weitere Standorte im Antennen-Wald zu finden.

Die aber wird es geben müssen, wenn sich die milliardenschweren UMTS- Investitionen lohnen sollen – und hier will Lorenz mit der Mikrozellen-Technik aushelfen. Am liebsten würde der Referent mit Einführung des Pilotprojekts die ersten Dachmasten fällen. Daraus wird wohl so schnell nichts: Erst müsste der herkömmliche Telefon-Standard auslaufen.

Dominik Hutter

Kommentar der Elektrosmognews: Wie jede Neuerung, ist die Idee zunächst kritisch zu begutachten. Nur durch Messungen kann festgestellt werden, ob die flächendeckende Gesamtstrahlenbelastung durch Mikrozellen wirklich sinkt und ob die Senkung ausreichend ist. Nach ersten Messungen bei W-Lan-Systemen in Bremen (vierstellige Mikrowatt/Quadratmeter-Werte) sind Zweifel angebracht. Sollte man mit Mikrozellen die Einhaltung baubiologischer Richtwerte erreichen können, könnte man in der Tat von einem Fortschritt sprechen. Die blosse Einhaltung der Schweizer Grenzwerte hingegen führt zu keiner Verbesserung, da diese nur unwesentlich unter den deutschen Grenzwerten liegen und Gesundheitsschäden schon weit unterhalb dieser Werte beobachtet wurden.

Gastkommentare von Hans-Ulrich Jakob und Evi Gaigg, gigaherz.ch, Schweiz:

Hans-Ulrich Jakob:

Was Dominik Hutter da in der Süddeutschen Zeitung über Mikrozellen und Schweizer Grenzwerte erzählt ist, sehr gelinde gesagt, als höherer technischer Blödsinn zu werten!
Verdeckte Mikrosender erzeugen an den Köpfen oder an den Herzschrittmachern von ahnungslosen Passanten Feldstärken, die weit jenseits von gut und böse liegen!!
Sehen Sie dazu dringend unter: http://www.gigaherz.ch/331 und http://www.gigaherz.ch/396

Alles, was die Mogelpackung mit den Schweizer Grenzwerten betrifft, finden Sie unter http://www.gigaherz.ch/429

Weshalb orientiert man sich nicht auf einer Schweizer Seite, bevor man solche Desinformationen wie in der Süddeutschen Zeitung auf das Volk loslässt??

Umrechnungsformeln für alle Feldstärkenangaben  finden Sie übrigens
unter http://www.gigaherz.ch/64

Die sind so einfach, dass eigentlich selbst ein Journalist damit zurechtkommen müsste. Aber eventuell wollen oder dürfen die gar nicht damit zurechtkommen!
Beste Grüsse von Hans-U.Jakob

Evi Gaigg:

Mein Gott, das darf doch nicht wahr sein!

Bei uns gibt es diese Mikrozellen schon lange, z.B. in den Städten Zug und Luzern, im Untergrund des Bahnhofs Zürich etc., meist getarnt als Reklameschilder auf oder an allen möglichen Gebäuden.

Wer sich davon eine geringere Strahlung verspricht, der wiegt sich in ganz falscher Sicherheit, ob getarnt oder nicht. Leute, die in Geschäften arbeiten, wo solche Zellen installiert sind, klagen über die üblichen Beschwerden, wie wir sie auch von grossen Antennen kennen, denn sie sind dieser Strahlung ja viele Stunden am Tag  ausgesetzt.

Und endlich soll man einen dicken Strich unter die angeblich so strengen Schweizer Grenzwerte machen. Wenn diese was nützen würden, so hätten wir nicht schon so viele gesundheitlich angeschlagene Menschen. Diese Werte sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind, denn die Leute werden beim Hundertfachen darunter krank. Warum in Gottes Namen will keiner begreifen, dass das lauter Alibiübungen sind? Solange sich nicht die Technologie ändert, so lange werden wir aus diesem Teufelskreis nicht herauskommen, egal, ob mit deutschen, Schweizer oder sonst welchen Werten.

Die menschliche Gesundheit und die Natur richtet sich nicht danach, auch
wenn man uns das täglich  einzutrichtern versucht.

MfG
Evi Gaigg
Sekretariat Gruppe Hans-U. Jakob
Schweiz. Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener

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