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Mobilfunkbetreiber: "Antennen strahlen nach innen"

Quelle: Offenbach-Post, 10.07.2003

Der folgende Artikel ist ein interessantes Beispiel, wieviel Unsinn in einem einzigen Artikel einer Tageszeitung stehen kann bzw. welch haarsträubende Aussagen manchmal getroffen werden. Bitte lesen Sie zuerst den Artikel und dann unsere Bemerkungen am Ende der Seite.

Hier der Artikel:

Drahtlose Kopfhöreranlage Auslöser allen Übels
Aus Angst um ihre Gesundheit und vor Mobilfunkantennen-Strahlung: Mainflinger Familien kämpften länger als ein Jahr, bis sie Klarheit hatten

Mainhausen (mho) - Auseinandersetzungen mit Ämtern und Behörden gleichen bisweilen einem Kampf mit Windmühlen. Wer den bestehen will, der muss selbstbewusst, nervenstark und unnachgiebig sein. So wie einige Mainflinger Familien, die sich aus Angst um ihre Gesundheit und vor Mobilfunkantennen-Strahlung mehr als ein Jahr lang beharrlich zeigten - und trotz aller Irrungen und Wirrungen doch noch Erfolg hatten.

Die mehrere Meter hohe Antenne eines Mobilfunkbetreibers auf einem gewerblich genutzten Nachbargebäude war aus Sicht der Anwohner die Ursache für markante technische Störungen bei Fernbedienungen und Zentralverriegelungen. Damit nicht genug: Auch Schlaflosigkeit und Tagesmüdigkeit sowie massive Beschwerden wie nächtlicher Pulsanstieg oder Herzrhythmusstörungen brachten die besorgten Mainflinger in Zusammenhang mit der Antenne. Es folgten ärztliche Untersuchungen und die beunruhigende Feststellung, dass die Beschwerden etwa zur Zeit der Montage des Masts einsetzten. Antworten der Mainhausener Gemeindeverwaltung waren nicht sehr aussagekräftig, weil deren Möglichkeit "auf die Errichtung von Mobilfunkantennen auf privaten oder gewerblich genutzten Gebäuden Einfluss zu nehmen, äußerst gering sind," wie Bürgermeister Dieter Gröning einräumte.

Immerhin informierte die Gemeinde Antennen- und Netzbetreiber und bat, die Beschwerden aufzugreifen. Das geschah auch. Die Mobilfunkfirma, die den Standort von ihrem Vorgängerunternehmen übernommen hatte, verwies darauf, dass die Antenne nach innen strahle, außerdem werde "grundsätzlich und nach übereinstimmenden Aussage sowohl der WHO als auch der internationalen Strahlenschutzkommission durch Mobilfunk-Sendeanlagen nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen weder eine Gesundheitsgefährdung, noch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Bevölkerung hervorgerufen". Da die Anwohner das genaue Gegenteil erlebten, setzten sie sich mit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) in Verbindung, fanden dort jedoch eigenen Angaben zu Folge zunächst wenig Gehör. Die RegTP schob die Verantwortung auf die Mobilfunkfirma, ließ die Mainflinger wissen, dass sie Messungen aus eigener Tasche bezahlen müssten. Vollends misstrauisch wurden die Anwohner, als die Mobilfunkfirma ihnen Umbaupläne vom betreffenden Mainflinger Gebäude zuschickte, die offensichtlich von Hand geändert worden waren. Die Gemeinde, die zwischenzeitlich den CDU-Landtagsabgeordneten Frank Lortz eingeschaltet hatte, informierte die Mainflinger Familien Mitte Mai dieses Jahres darüber, dass die RegTP "über Frau Bundestagsabgeordnete Lips Stellung genommen" habe. Aus dem gemeindlichen Schreiben geht hervor, dass die RegTP nun tatsächlich Messungen vorgenommen hatte und dabei "sowohl die Fehlerursache für das Störverhalten der Fernbedienungen ermittelt als auch die Einhaltung der Personenschutzgrenzwerte bestätigt" habe. Aber: "Welche Ursache für die Störung der Zentralverriegelungen gefunden wurde, geht aus dem Schreiben nicht hervor". Das Rätsel löste die RegTP einen Monat später, Mitte April, höchstpersönlich: "Die Störungen wurden durch eine drahtlose Kopfhöreranlage ausgelöst. Die stellt jedoch keine Störung im klassischen Sinne dar, sondern ist vielmehr darin begründet, dass mehrere Funkanwendungen mit kleiner Leistung den gleichen Frequenzbereich benutzen. Der Eigentümer der Kopfhöreranlage hat den Kanal gewechselt. dadurch war die ,Störung´ behoben". Dagegen lägen die Strahlenwerte "wie ich Ihnen bereits im letzten Telefongespräch versucht habe zu erklären, weit unter dem zulässigen Grenzwert". Und auch Grundsätzliches gab der Reg-TP-Experte den Bürgern mit auf den Weg: Für mögliche gesundheitliche Gefährdungen durch elektromagnetische Strahlungen sei er nicht der Diskussionspartner: "Da müssen Sie die Politik (Umweltminister) bemühen. Ich kann und darf nur die bestehenden Verordnungen und damit Grenzwerte anwenden, nicht diskutieren oder interpretieren". Die Familien dagegen wissen nun, dass kleine Ursachen große Wirkung haben und dass deren Beseitigung die Nerven arg strapazieren kann.

Kommentar der Elektrosmognews:

Am haarsträubendsten in diesem Artikel ist die Aussage des Mobilfunkbetreibers, so zitiert ihn jedenfalls die Offenbach-Post, dass die auf einem gewerblichen Gebäude befindliche Mobilfunkantenne "nach innen strahle". Das ist eine physikalisch bemerkenswerte Aussage. Soll die Antenne sich selbst mit einem Mobilfunknetz versorgen? Oder ist gar das darunter befindliche Gebäude gemeint? Man fragt sich dann natürlich, warum nicht auf jedem Haus eine Mobilfunkantenne steht, die dann alle "nach innen strahlen". Man fragt sich auch, wie dann die 99,9 %-Netzabdeckung in Deutschland erzielt wird, durch "nach innen strahlende" Antennen.

Folgende Aussage des Betreibers ist auch interessant:

"...grundsätzlich und nach übereinstimmenden Aussage sowohl der WHO als auch der internationalen Strahlenschutzkommission werde durch Mobilfunk-Sendeanlagen nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen weder eine Gesundheitsgefährdung, noch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Bevölkerung hervorgerufen".

Mit der sogenannten "internationale Strahlenschutzkommission", ist der industrielastige Privatverein ICNIRP e.V. gemeint, eine Handvoll äußerst umstrittener Wissenschaftler, die Grenzwertempfehlungen für nichionisierende Strahlung abgegeben haben, wozu auch die elektromagnetischen Felder von Mobilfunksendeanlagen gehören. Diese Grenzwertempfehlungen beruhen auf der Auswertung von wenigen Studien, die im Umfeld von Rundfunk- und Fernsehsendern durchgeführt wurden. Interessant zu erwähnen, dass ein grosser Teil dieser Studien erhöhte Leukämieraten bei Kindern in der Nähe solcher Sender gefunden hat. Kein Grund für die ICNIRP, niedrigere Grenzwerte zu empfehlen. Ebensowenig interessiert die ICNIRP, dass keine einzige Untersuchung im Umfeld von Mobilfunksendern vorliegt und somit auch nicht bei der Festlegung der Grenzwertempfehlungen berücksichtigt werden konnte. Die aktuellen Grenzwertempfehlung schützen lediglich vor thermischen und akuten Wirkungen. Langzeitwirkungen wie ein mögliches Krebsrisiko sind unberücksichtigt, das bestätigt auch die WHO, die nicht zuletzt deshalb epidemiologische Studien im Umfeld von Mobilfunksendern und anderen Hochfrequenzquellen erst im Juni 2003 zur "Priorität" erklärt hat. Und soeben verkündet die WHO (Juli 2003) ihr neues Forschungsprogramm für hochfrequente elektromagnetische Felder, bei dem auch Bevölkerungsgruppen im Umfeld von Mobilfunksendern und anderen Hochfrequenzquellen untersucht werden sollen. Dies erklärt von selbst, dass die WHO nie eine Aussage getroffen hat, dass Mobilfunksendeanlagen keine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung darstellen. Eine solche Entwarnung hat es nie gegeben, kann es auch nicht, da hierfür die vorliegende Datenlage viel zu klein ist und Mobilfunksender erst seit ca. 10 Jahren existieren, die Mehrzahl davon erst seit ca. 4-6 Jahren. Die Latenzzeiten bei Krebs können 30 Jahre und mehr betragen, bei Kindern weniger.

Das aktuelle komplette Forschungsprogramm der WHO zu hochfrequenten elektromagnetischen Feldern macht eher Angst und Bange, als dass es beruhigt. Durch seine Komplexität zeigt es eine ganze Reihe möglicher Effekte auf. Es untergliedert sich in folgende Teile:

Epidemiologie, Laborstudien bei Menschen, Laborstudien bei Tieren, Laborstudien an Gewebe- und Zellstrukturen sowie an zellfreien Systemen. Separat soll die Dosimetrie betrachtet werden, also die Ermittlung der individuellen Strahlenbelastung exponierter (bestrahlter) Organismen.

Das komplette Programm zum Bereich Epidemiologie findet sich hier:

http://www.who.int/peh-emf/research/rf03/en/index1.html

Die übrigen Forschungsteile hier:

http://www.who.int/peh-emf/research/rf03/en/

All diese geplanten und zum Teil von der WHO als "hochprioritär" eingestuften Untersuchungen zeigen, dass man in keiner Weise bereits davon sprechen kann, dass Mobilfunksender und andere Hochfrequenzquellen "sicher" wären.

Umso mehr ist die Politik verpflichtet, umfassende Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zutreffen, BEVOR der Schaden eingetreten ist. Die ist bisher in keiner Weise der Fall. Es ist ein unumstößlicher Fakt, dass die aktuellen Grenzwerte lediglich vor thermischen und damit akuten Wirkungen schützen, nicht jedoch vor biologischen Wirkungen und damit vor Langzeitfolgen wie einem möglichen Krebsrisiko. Mehr als 60 Krebshäufungen in der Nähe von Mobilfunksendern warten auf ihre Untersuchung und Abklärung der Ursache, Häufungen von Kinderleukämie in der Nähe von Rundfunk- und Fernsehsendern (übereinstimmend gefunden in mindestens 7 epidemiologischen Studien) sind in den Grenzwerten immer noch unberücksichtigt.

An die WHO und internationale Politik: Es ist Zeit, zu handeln! Mobilfunk ja, aber sicher! Die Grenzwerte müssen vorsorgeorientiert deutlich abgesenkt werden, um das Risiko zu minimieren. Was ist, wenn auch nur ein Teil des WHO-Forschungsprogramms unwiderlegbare Ergebnisse liefert?

Zum übrigen Teil des Artikel: Die Regulierungsbehörde müßte mittlerweile definitiv wissen, dass technische Störungen verschiedener Art definitiv von nahegelegenen Mobilfunksendern, Handys usw. ausgelöst werden können. Dies ist mehrfach nachgewiesen worden und kann überall beobachtet werden. Hierzu gehören:

- "Automatische" Auslösung oder Störung von Fahrzeugelektronik (z.B. elektrischen Fensterhebern, Zentralverriegelung u.a., die durch Störstrahlung des Mobilfunksenders ausgelöst werden können).
- Störung von Festnetztelefonen
- Störung des Fernsehprogramms (man kann z.B. die Eintaktsignale von Handys gelegentlich beim Fernsehen hören)
- Auslösung von Leuchtstoffröhren
- Störung von PCs, Stereoanlagen und anderen technischen Geräten durch Mobilfunksender oder Handys
- Störung des Autoradios durch Mobilfunksender
- Störung von Herzschrittmachern durch Handys oder Radarstationen
- und vieles mehr.

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