Hochdosierte Handy-Strahlung stört Lernprozesse

UMTS-Effekt erzeugt Veränderungen im Ionenhaushalt des Gehirns

Zitiert aus: http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-13596-2011-06-21.html


Starke Handy-Strahlung kann Lernprozesse im Gehirn behindern – allerdings nur bei Ratten. Erstmals haben Neurowissenschaftler nachgewiesen, dass hochfrequente elektromagnetische Felder Veränderungen im Ionenhaushalt des Gehirns auslösen, die neuronales Lernen und synaptische Gedächtnisbildung stören. Gefahr für Handynutzer besteht aber nicht: Beim normalen Telefonieren werden solche starken Felder nicht erreicht. Anders sieht es allerdings bei Sicherheitsdiensten und dem Militär aus, hier empfehlen die Forscher regelmäßige Überprüfung.

Die Frage, ob Handystrahlung schädlich ist oder nicht, ist nach wie vor strittig. Handys mit UMTS-Technik erzeugen Strahlung von 2.100 MHz und relativ schwachen Feldstärken (3,8 – 4,8 V/m).

Studien zeigen, dass solche Felder eine lokale, schwache Erwärmung im Gewebe auslösen können. Widersprüchliche Aussagen gibt es dagegen zu den nicht-thermischen Effekten von Handyfeldern. Dazu gehört zum Beispiel eine stärkere Durchlässigkeit der Zellwände, was zu Veränderungen des Ionenkanaleinbaus und der Stoffwechselprozesse führen kann, auch wenn keine Temperaturänderung messbar ist. Daraus könnten Beeinträchtigungen bei Lernprozessen im Gehirn entstehen.

Stress oder Strahlung?

Unter anderem deshalb werden die Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf die kognitive Leistungsfähigkeit und das Verhalten sogar schon seit den 1950er Jahren diskutiert. Bisherige Experimente konnten aber nur unzureichend klären, ob es sich bei den beobachteten Veränderungen um die Effekte nicht-thermischer Wirkung oder um die Auswirkungen von Stress handelt, der beispielsweise durch Umsetzen von Versuchstieren in eine ungewohnte Umgebung entsteht.

Um diese Frage zu klären, führten Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit Physikern der Universität Wuppertal eine neue Studie durch. Die Forscher setzten dafür Ratten für jeweils zwei Stunden unterschiedlich leistungsstarken nichtthermischen hochfrequenten Feldern im UMTS- Frequenzbereich aus. Die Feldstärken wählten die Forscher angepasst an die Hirnmasse der Ratten entsprechend der Standards, die für Menschen gelten. Die spezifischen Absorptionsraten betrugen 0, 2 und 10 Watt pro Kilogramm (W/kg).

Während der Exposition analysierten die Forscher elektrophysiologisch die Auswirkungen auf neuronales Lernen und synaptische Gedächtnisbildung. Zusätzlich untersuchten sie alle Tiere direkt nach der Exposition auf die Freisetzung von Stresshormonen. Zum Vergleich dienten Kontrolltiere, die ihren Käfig nicht verlassen mussten.

Auch die Strahlung beeinträchtigt Lernprozesse

Die Auswertung zeigt erstmals, dass ein Teil der in früheren Untersuchungen registrierte Stress nicht auf die Strahlung sondern auf den experimentellen Ablauf zurück zu führen ist. Trotz Trainings und ungezwungener Vertrautmachung der Tiere mit der Anlage löste der Versuch als solcher schon messbaren Stress aus, der auch deutlich das synaptische Lernen und die Gedächtnisbildung im Gehirn der Ratte beeinflusste. Aber: Auch starke elektromagnetische Felder (SAR 10 W/kg) beeinflussten signifikant das Lernen und die Gedächtnisbildung – zusätzlich zum ohnehin erzeugten Stress. Dagegen führten schwache elektromagnetische Felder (SAR 0 und 2 W/kg) zu keiner messbaren Beeinträchtigung.

Normale Handyfelder zu schwach um Effekt auszulösen


„Diese Ergebnisse kann man zwar nicht ohne Weiteres auf Menschen übertragen“, erklärt Nora Prochnow. „Aber sie zeigen am Tiermodell, dass elektromagnetische Felder im Prinzip Lernprozesse im Gehirn beeinträchtigen können. …

 

Die Originalarbeit:

Electromagnetic Field Effect or Simply Stress? Effects of UMTS Exposure on Hippocampal Longterm Plasticity in the Context of Procedure Related Hormone Release

der Autoren: Harmful effects of electromagnetic fields (EMF) on cognitive and behavioural features of humans and rodents have been controversially discussed and raised persistent concern about adverse effects of EMF on general brain functions. In the present study we applied radio-frequency (RF) signals of the Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) to full brain exposed male Wistar rats in order to elaborate putative influences on stress hormone release (corticosteron; CORT and adrenocorticotropic hormone; ACTH) and on hippocampal derived synaptic long-term plasticity (LTP) and depression (LTD) as electrophysiological hallmarks for memory storage and memory consolidation. Exposure was computer controlled providing blind conditions. Nominal brain-averaged specific absorption rates (SAR) as a measure of applied mass-related dissipated RF power were 0, 2, and 10 W/kg over a period of 120 min. Comparison of cage exposed animals revealed, regardless of EMF exposure, significantly increased CORT and ACTH levels which corresponded with generally decreased field potential slopes and amplitudes in hippocampal LTP and LTD. Animals following SAR exposure of 2 W/kg (averaged over the whole brain of 2.3 g tissue mass) did not differ from the sham-exposed group in LTP and LTD experiments. In contrast, a significant reduction in LTP and LTD was observed at the high power rate of SAR (10 W/kg). The results demonstrate that a rate of 2 W/kg displays no adverse impact on LTP and LTD, while 10 W/kg leads to significant effects on the electrophysiological parameters, which can be clearly distinguished from the stress derived background. Our findings suggest that UMTS exposure with SAR in the range of 2 W/kg is not harmful to critical markers for memory storage and memory consolidation, however, an influence of UMTS at high energy absorption rates (10 W/kg) cannot be excluded.

Formularbeginn

Nora Prochnow1#, Tina Gebing1#, Kerstin Ladage1, Dorothee Krause-Finkeldey1, Abdessamad El Ouardi2, Andreas Bitz2¤, Joachim Streckert2, Volkert Hansen2, Rolf Dermietzel1*

1 Department of Neuroanatomy and Molecular Brain Research, Ruhr-University Bochum, Bochum, Germany, 2 Chair of Electromagnetic Theory, University of Wuppertal, Wuppertal, Germany

ist ungekürzt in Englisch zu finden unter:
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0019437

K. D. Beck




 


Siehe auch Diskussion/Kommentare
http://www.hese-project.org/Forum/allg/index.php?id=1906

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