Übersetzter
Auszug aus einem Bericht
des Kommitees
für Umwelt, Landwirtschaft sowie lokale und regionale Angelegenheiten des
Europa-Parlaments (Dok. 12608)
6.
Mai 2011
Berichterstatter: Mr. Jean HUSS, Luxemburg, Sozialistische Fraktion
Titel
des gesamten Berichts: Die potenziellen
Gefahren elektromagnetischer Felder und ihre Wirkung auf die
Umwelt
Link
zum gesamten Originalartikel:
http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/Documents/WorkingDocs/Doc11/EDOC12608.pdf
Der
übersetzte Auszug:
Entwurf einer Entschließung (einstimmig
angenommen durch das Komitee, 11. 4. 2011)
1.
Die
Parlamentarische Versammlung hat wiederholt die staatliche Verpflichtung zum
Engagement betont, für die Erhaltung der Umwelt und für Umwelt und Gesundheit zu
sorgen, wie sie sich in vielen Chartas, Konventionen, Deklarationen und
Protokollen seit der Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche
Umwelt und Stockholmer Erklärung (Stockholm, 1972) zum Ziel gesetzt haben. Die
Versammlung verweist auf ihre bisherige Arbeit in diesem Bereich, nämlich die
Empfehlung 1863 (2009) über Umwelt und Gesundheit, die Empfehlung 1947 (2010)
über Lärm-und Lichtverschmutzung, und ganz allgemein die Empfehlung 1885 (2009)
mit der Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über
die Menschenrechte bezüglich des Rechts auf eine gesunde Umwelt und die
Empfehlung 1430 (1999) über den Zugang zu Informationen, die
Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltbezogenen Entscheidungsverfahren und den
Zugang zu Gerichten - Umsetzung der Aarhus-Konvention.
2.
Die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der sehr niedrigen Frequenz von
elektromagnetischen Feldern, die die Stromleitungen und elektrische Geräte
umgeben, sind Gegenstand der laufenden Forschung und in starkem Umfang
Gegenstand der öffentlichen Debatte.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation zählen elektromagnetische Felder
aller Frequenzen zu den am häufigsten und am
schnellsten wachsenden Umwelteinflüssen, über die sich Besorgnisse und
Spekulationen ausbreiten. Alle Populationen sind jetzt in unterschiedlichem
Grade elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, deren Niveaus mit den weiteren
technologischen Fortschritten mitwachsen.
3.
Mobilfunk ist rund um die Welt allgegenwärtig geworden. Diese Funktechnik baut
auf ein ausgedehntes Netz von fest installierten Antennen oder Basisstationen
auf, die die Informationen mit Hochfrequenz-Signalen weiterleiten.
Über 1,4
Millionen Basisstationen bestehen weltweit und die Zahl steigt signifikant mit
der Einführung der Technologie der dritten Generation. Andere drahtlose
Netzwerke, High-Speed-Internetzugang und Dienste, wie Wireless Local Area Networks, sind auch immer häufiger in Wohnungen,
Büros und vielen öffentlichen Bereichen (Flughäfen, Schulen, Wohn- und
städtischen Gebieten) anzutreffen. Mit der Anzahl der Basisstationen und der
lokalen drahtlosen Netzwerke nimmt auch die Strahlungsbelastung der Bevölkerung
zu.
4.
Während elektrische und elektromagnetische Felder in bestimmten Frequenzbändern
ganz positive Auswirkungen haben, die in der Medizin angewendet werden, scheinen
andere nicht-ionisierende Frequenzen, die einerseits von extrem niedrigen
Frequenzen in Stromleitungen oder andererseits bestimmten hochfrequenten Wellen
aus den Bereichen Radar, Telekommunikation und Mobiltelefonie herrühren, mehr
oder weniger potenziell schädliche, nicht-thermische, biologische Wirkungen auf
Pflanzen, Insekten und Tiere sowie den menschlichen Körper zu haben, auch wenn
sie auf Niveaus bleiben, die unterhalb der offiziellen Schwellwerte liegen.
5.
In Bezug auf Normen oder Grenzwerte für Emissionen von elektromagnetischen
Feldern aller Art und Frequenzen, empfiehlt die Versammlung, dass das ALARA-
oder "so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar"-Prinzip angewandt wird, um
sowohl die sogenannten thermischen Effekte und die athermischen oder biologischen Wirkungen elektromagnetischer
Emissionen oder Strahlung beide begrenzend zu erfassen. Darüber hinaus sollte
das Vorsorgeprinzip gelten, wenn die wissenschaftliche Auswertung nicht erlaubt,
die Gefahr mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen. Insbesondere vor dem
Hintergrund der wachsenden Exposition der Bevölkerung, mit besonderem Blick auf
gefährdete Gruppen wie Jugendliche und Kinder, kann das zu extrem hohen menschlichen und
wirtschaftlichen Kosten der Untätigkeit führen, wenn Frühwarnungen
vernachlässigt werden.
6.
Die Versammlung bedauert, dass trotz aller Forderungen nach der Einhaltung des
Vorsorgeprinzips und trotz aller Empfehlungen, Erklärungen und eine Reihe von
gesetzlichen und rechtlichen Fortschritten
es immer noch einen Mangel an Reaktion auf bekannte oder neue Umwelt- und
Gesundheitsrisiken und praktisch systematische Verzögerungen bei der Annahme und
Umsetzung von effektiven Präventionsmaßnahmen gibt. Ebenso das Warten auf
überzeugende wissenschaftliche und klinische Beweise vor Ingebrauchnahme zur
Vermeidung bekannter Risiken kann zu sehr hohen gesundheitlichen und
wirtschaftlichen Kosten führen, wie im Falle der Belastungen mit Asbest,
bleihaltigem Benzin und Tabak.
7.
Darüber
hinaus stellt die Versammlung fest, dass das Problem von elektromagnetischen
Feldern oder Wellen und die möglichen Konsequenzen der Folgen für die Umwelt und
die Gesundheit deutliche Parallelen zu anderen aktuellen Themen hat, wie die
Lizenzierung von Medikamenten, Chemikalien, Pestiziden, Schwermetallen oder
genetisch modifizierten Organismen. Es ist daher hervorzuheben, dass die Frage
der Unabhängigkeit und der Glaubwürdigkeit des wissenschaftlichen Sachverstands
entscheidend dafür ist, eine transparente und ausgewogene Bewertung der
möglichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit
zu erreichen.
8.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen empfiehlt die Versammlung, dass die
Mitgliedstaaten des Europa-Rates:
8.1.
in allgemeiner Form:
8.1.1 alle angemessenen Maßnahmen
ergreifen, um die Exposition durch elektromagnetische
Felder zu reduzieren, insbesondere zu Funkfrequenzen von Handys und insbesondere die Belastung durch Kinder und Jugendliche sowie von
Menschen, die das höchste Risiko von Tumoren im Kopfbereich zu haben scheinen;
8.1.2.
die wissenschaftlichen Grundlagen für die vorliegenden Grenzwerte der
elektromagnetischen Felder überdenken , die von der Internationalen Kommission
für den Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung [ICNIRP] festgelegt wurden und
die ernsthaften Beschränkungen unterliegen, stattdessen die ALARA-Grundsätze ("so niedrig wie
vernünftigerweise erreichbar") anwenden, die sowohl die thermischen Effekte als
auch die athermischen oder biologischen Wirkungen von
elektromagnetischen Emissionen oder Strahlung umfassen
sollten;
8.1.3.
initiieren von Informations-und Sensibilisierungskampagnen über die Risiken der
potenziell schädlichen langfristigen biologischen Wirkungen auf die Umwelt und
die menschliche Gesundheit, insbesondere von Maßnahmen zugunsten der Kinder,
Jugendlichen und jungen Menschen im gebärfähigen Alter;
8.1.4.
besondere Aufmerksamkeit "elektrosensiblen" Personen widmen, die an einem
Syndrom der Intoleranz gegenüber elektromagnetischen Feldern leiden, sowie die
Einführung spezieller Maßnahmen, um diese Personen zu schützen, einschließlich
der Schaffung von Funkwellen-freien Gebieten [sog. „Funklöchern“], die nicht von
den drahtlosen Netzwerken erfasst werden;
8.1.5.
um die Kosten zu senken, Energie zu sparen und die Umwelt und die menschliche
Gesundheit zu schützen, die schrittweise Erforschung neuer Arten von Antennen
bei Handys und Geräten vom DECT-Typ und
Förderung der Forschung zur
Telekommunikation, die auf anderen Technologien basiert, die genauso effizient
sind, aber weniger negative Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheit
haben;
8.2.
über die private Nutzung von Handys, DECT-Telefone, WiFi, WLAN und WIMAX für Computer und andere drahtlose
Geräte wie Babyphone:
8.2.1.
festsetzen präventiver Schwellenwerte für die Höhe der langfristigen Exposition
von Mikrowellen in allen Innen-Bereichen, in Übereinstimmung mit dem
Vorsorgeprinzip nicht mehr als 0,6 Volt pro Meter, und sie mittelfristig weiter um 0,2 Volt pro Meter zu
verringern;
8.2.2.
geeignete Maßnahmen zur Risiko-Assessment-Verfahren für alle neuen Typen von
Geräten noch vor der Lizenzierung garantieren;
8.2.3.
angeben klarer Hinweise auf das Vorhandensein von Mikrowellen oder
elektromagnetische Felder, der Sendeleistung oder der spezifischen
Absorptionsrate (SAR) der Vorrichtung, sowie der gesundheitlichen Risiken, die
mit seiner Verwendung verbunden sind;
8.2.4.
Bewusstseinsbildung in Bezug auf mögliche gesundheitliche Risiken von drahtlosen
Telefonen des DECT-Typs, Baby-Monitoren und anderen Haushaltsgeräten, die
kontinuierliche Pulswellen emittieren, wenn alle elektrischen Geräte permanent
im Standby-Modus gehalten werden, und die Empfehlung zur Verwendung von
Festnetzanschlüssen zu Hause oder in Ermangelung einer solchen Lösung eine mit nicht dauerhaft strahlenden
Pulswellen;
8.3.
über den Schutz von Kindern:
8.3.1.
entwickeln gezielter Informationskampagnen durch verschiedene Ministerien
(Bildung, Umwelt und Gesundheit), die sich an Lehrer, Eltern und Kinder richten,
um sie auf die spezifischen Risiken aufmerksam zu machen, die den frühen,
unbedachten und längeren Gebrauch von Mobiltelefonen und anderen Geräten mit
Mikrowellen betreffen;
8.3.2.
Verbot aller Handys, DECT-Telefone, oder WiFi- bzw.
WLAN-Systeme in Klassenzimmern und Schulen, wie von einigen regionalen Behörden,
medizinischen Verbänden und der Zivilgesellschaft vertretene Organisationen
befürwortet wird;
8.4.
die Planung von elektrischen Leitungen und Relais-Antennen von Basisstationen
betreffend:
8.4.1.
einführen städtebaulicher Maßnahmen, um Hochspannungs-Stromleitungen und andere
elektrische Anlagen in einem sicheren Abstand von Wohnungen zu
halten;
8.4.2.
anwenden strenger Sicherheitsstandards für elektrische Sound-Systeme in
Neubau-Wohnungen;
8.4.3.
reduzieren der Grenzwerte für Mobilfunkantennen im Einklang mit dem
ALARA-Prinzip und Installation von Anlagen für eine umfassende und
kontinuierliche Überwachung aller Antennen;
8.4.4.
Bestimmung der Standorte für neue GSM-, UMTS-, WiFi-
oder WiMAX- Antennen nicht allein gemäß den
Betreiber-Interessen, sondern in Absprache mit lokalen und regionalen
Gebietskörperschaften, Beamten, den Anwohnern und Verbänden der betroffenen
Bürger;
8.5. zur
Risikobewertung und Vorsichtsmaßnahmen:
8.5.1.
Risikobewertung präventionsorientierter
gestalten;
8.5.2.
Verbesserung der Standards und der Qualität von Risikobewertungen durch die
Schaffung einer standardisierten Risiko-Skala, die zwingende Angabe bestehender
Risiken, die Aufnahme mehrerer Hypothesen zu Risikofaktoren und die
Berücksichtigung von Übereinstimmungen mit realen
Lebens-Bedingungen;
8.5.3. der
"Frühwarnung" von Wissenschaftlern Beachtung schenken und Schutzmaßnahmen
einleiten;
8.5.4.
Formulieren einer menschenrechts-orientierten Definition des Vorsorgeprinzips
und der ALARA-Prinzipien;
8.5.5.
Erhöhung der öffentlichen Finanzierung unabhängiger Forschung, unter anderem
durch Zuschüsse aus der Industrie und der Steuern auf Produkte, die Gegenstand
der öffentlichen Forschungs-Studien zur Bewertung gesundheitlichen Risiken
sind;
8.5.6.
Schaffung unabhängiger Kommissionen für die Vergabe öffentlicher
Mittel;
8.5.7. die
Transparenz der Lobby-Gruppen verbindlich machen;
8.5.8.
Förderung pluralistischer und widersprüchlicher Debatten zwischen allen
Beteiligten, einschließlich der Zivilgesellschaft.
Übersetzung:
K. D. Beck